Einblicke in die Arbeiten der Preisträgerin der 4. Ricarda Huch Poetikdozentur für Gender in der literarischen Welt
Wir möchten Ihnen hier die Preisträgerin kurz vorstellen und haben hierfür Lese- und Hörproben:
– Interview mit Uljana Wolf, geführt von Insa Wilke hier.
– zwei Leseproben:
Doppelgeherrede
ich ging ins tingeltangel, lengevitch angeln. an der garderobe bekam jede eine zweitsprache mit identischen klamotten, leicht gemoppeltes doppel. die spiegel aber zeigten nur eine von uns, ich schluckte: kalte spucke, spuk. hinten hoppelten wortkaninchen aus ashberys hut. zum ballsaal dann, mit meinem zwilling zirkumstanzen, am tresen ein köpfchen kaffee mit mrs. stein. dass ich gespenster seh!, rief plötzlich aus der nische, wo das denken dunkeldeutsch blieb, mr. veilmaker im schlafanzug der philosophen. ein kressekästchen vor der brust, verblüfft: wächst auf einem weißen blatte! ohne alle erde! wurzellos! ich wollte nach paar samen fragen, doch mein zwilling sprang, ging schwofen mit dem mann. wer schatten hat, muss für die spots nicht sorgen, sagte mrs. stein, packte ihre knöpfe ein.
Mappa
was ist der wohnort? der wohnort ist
eine kreuzzehn. was ist die kreuzung?
in der verkorksten mundart der wälder
ist die kreuzung das wort baum. warum
spielen heimatländer in den lüften karten?
niemand hat die länder je nach hause gehn
sehn. ein baum im wald der nähesprache
ist im kartenspiel die zehn. aus seinem holz
werden auf der karte kreuze gemacht.
die länder tragen ihren wohnort ein
und legen die feder ins mäppchen
zurück. was ist ein mäppchen? zurück.
mit Nelly Sachs
aus: Uljana Wolf: meine schönste lengevitch. Gedichte. Kookbooks: Berlin, 2013