Breites Interesse der Studierenden aus unterschiedlichsten Fächern
Gender trifft MINT – unser interdisziplinäres Ringseminars richtet dieses Sommersemester den Fokus auf das Verhältnis von Gender Studies und MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Zusammen mit Lehrenden der TU Braunschweig und der HBK Braunschweig haben wir ein vielfältiges Programm zusammengestellt, das sich der Frage aus verschiedenen fachlichen Perspektiven nähert. Dieses ist nicht unser erster Ringseminar zum Thema, doch haben wir dieses Jahr eine große Zahl an Studierenden der MINT-Disziplinen.
Gender-Themen werden auch für MINT-Studierende relevanter.
Studierende unterschiedlichster Studiengänge interessiert
Dass dieses Thema auf großes Interesse bei TU- und HBK-Studierenden trifft, zeigt sich nicht nur an der Zahl der angemeldeten Studierenden insgesamt. In diesem Semester sind besonders viele unterschiedliche Fachrichtungen unter den Studierenden vertreten, was für spannende Diskussionen sorgen wird.
Von den knapp 50 angemeldeten Studierenden kommen mehr als ein Viertel aus technik- und ingenieurswissenschaftlichen Fächern, darunter Maschinenbau, Verkehrs- und Bauingenieurswesen, Umweltwissenschaften, Biotechnologie, Biologie-, Pharma-, Chemieingenieurswesen, Informatik sowie Wirtschaftsinformatik. Sie haben das Ringseminar im Rahmen der Module „Berufs- und Schlüsselqualifikationen“ bzw. des Pool-Modells für überfachlichen Qualifikation gewählt und verdeutlichen das wachsende Interesse an Themen der Gender Studies im Kontext von MINT. Dementsprechend wurde in der ersten Sitzung als Motiv für die Wahl dieser Lehrveranstaltung unter anderem genannt, Gründe dafür zu erfahren, warum das Geschlechterverhältnis im eigenen Studienfach und im angestrebten Berufsfeld so unausgewogen sind, und wie Geschlecht in Planungs- und Entwicklungsprozessen besser berücksichtigt werden kann.
Aus den Erziehungswissenschaften kommen ein Drittel, aus den Geistes- und Sozialwissenschaften ein Viertel und aus den Medien- und Kulturwissenschaften (HBK) mehr als ein Zehntel der teilnehmenden Studierenden.
Inhaltliche Konzeption
Das interdisziplinäre Seminar widmet sich der Schnittstelle von Geschlechterforschung und Lebens-, Natur- sowie Ingenieurwissenschaften. Die thematisch breit gefächerten Präsenzsitzungen bestehen aus einem für Interessierte geöffneten Input als Lunch-Break-Kurzvorträge und der interaktiven Arbeit mit den Studierenden.
Thematisch werden Fragen der Bedeutung von vergeschlechtlichten und rassifizierten Körpern in den Naturwissenschaften aus historischer Perspektive (Dominique Merdes) und in KI-Narrativen (Dimah Ahmad) gestellt. Dabei geht es ebenso wie in der Stadtplanung (Henriette Bertram) um die Ausblendung der Bedeutung von Geschlecht in Planungs- und Entwicklungsprozessen. Ein Blick auf die Fachkulturen und MINT-Berufe (Anne Geese), die Stereotype und Stereotypisierungen (Barbara Thies & Jennifer Muselick) sowie Möglichkeiten einer geschlechterreflektierten Vermittlung (Juliette Wedl) ergänzt das Programm ebenso wie die Frage nach anderen Technologien in exemplarischen Romanen und Kurzgeschichten (Nina Franz & Irina Raskin) und den Darstellungen insbesondere im Film (Rüdiger Heinze).
E-Learning in den Selbstlernphasen
Im Rahmen des Ringseminars nutzen wir digitale Lerneinheiten von dem Portal „Gendering MINT digital“. Die Open Educational Resources (OER) geben Einblick in den Forschungs- und Lehrbereich Gender & MINT verbunden mit Anregungen zum Reflektieren über Genderthemen in den Natur- und Technikwissenschaften. Aus den acht Lerneinheiten haben wir spezifische für die Selbstlernphase ausgesucht:
- Begleitend zur Sitzung „AI Narratives: Why Stories we tell about AI matter“ von Dimah Ahmad bearbeiten die Studierenden das Kapitel „Gender und IT-Systeme“. Hier wird vermittelt, wie IT-Systeme Gender- und andere Machtverhältnisse aufrechterhalten und wie strukturelle Ausschlüsse vermieden werden können.
- Zwei Abschnitte zu Geschlechter-Technik-Verhältnisse aus dem Kapitel „Gender und IT-Berufe“ werden ergänzend für das Thema „Geschlecht und Stadt – wie lassen sich Machtverhältnisse im öffentlichen Raum ablesen“ von Henriette Bertram von den Studierenden bearbeitet. So können neben der Stadtplanung weitere Felder der Vergeschlechtlichung von Technik in das Seminar eingebunden werden.
- Die Sitzung von Anne Geese zu „Gender und Fachkulturen/MINT-Berufen“ wird vorbereitet durch das Kapitel „Fachimages-Fachkulutren interdisziplinär“, welches Grundlagen zum Verständnis der Zusammenhänge zu dem Thema in naturwissenschaftlich-technischer Disziplinen liefert. Die Sitzung kann auf dieses Wissen aufbauen.
- Ein Einblick in die neurowissenschaftliche Forschung erarbeiten sich die Studierenden mit dem Kapitel „Gender goes Brains“. Dieses ergänzt das Thema „Stereotype und Stereotypisierte – Was können Stereotype anrichten?“, in dem Barbare Hies und Jenniver Muselick aus psychologischer Perspektive das Thema behandeln.
Die Studierenden erwarbeiten sich selbständig anhand der Lerneinheiten und der darin enthaltenen Reflexionaufgaben das Thema. Die Erkenntnisse werden im persönlichen Lerndialog (Stud.IP) festgehalten und fließen in die Sitzung mit ein.
Gendering MINT digital – ein Blick lohnt sich
„Die OER sind so konzipiert, dass sie in der Hochschullehre insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken, aber auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften eingesetzt werden können. Sie ermöglichen Studierenden der Natur- und Technikwissenschaften einen Zugang zu Genderthemen und verknüpfen die natur- und technikwissenschaftlichen Wissensbestände und Arbeitsweisen mit denen der Sozial- und Kulturwissenschaften.“ Ergänzt werden die Lehreinheiten von didaktischen Orientierungen und Planungshilfen als Lehrunterstützung. Hier wird nicht nur zu einzelnen Lehreinheiten Ideen entwickelt, sondern auch viele übergreifende Themen aufgegriffen, u.a. Queering/Intersektionalität in MINT, Postkoloniale Einbindung von MINT, Werte reflektierende Argumentationen, problemorientiertes Lernverständnis, Textarbeit, Reflexionen Privilegien/Diskriminierung, Stereotype hinterfragen und diskriminierungssensible Kommunikation. Einige dieser Themen sind noch bis zum Ende der Projektlaufzeit 2026 in der Entwicklung.
Das Portal ist eine fundierte und materialreiche Fundgrube, um Geschlechterdimensionen in MINT-Disziplinen zu thematisieren und darüber Geschlechterverhältnisse zu reflektieren. Wer stöbert findet wahre Schätze für die Lehre, die (eigene) Wissensaneignung und die Reflexion von Gender & MINT.