Sie stärkt die Gender Studies in den Raum- und Technikwissenschaften
Im Mai dieses Jahres ist Henriette Bertram von der Universität Kassel an die TU Braunschweig gekommen, um die neu geschaffene Juniorprofessur Gender.Ing anzutreten. Herzlich willkommen! Zu diesem Anlass findet sich ein erstes Interview im TU-Magazin.
Die Professur mit Volldenomination in Geschlechterforschung bereichert dieses Themenfeld im Braunschweiger Raum; ein erstes Gespräch zur Zusammenarbeit mit dem Braunschweiger Zentrum für Gender Studies hat bereits stattgefunden.
Gender.Ing: Eine Professur, drei Fakultäten
Henriette Bertram wird die Gender Studies nun fakultätsübergreifend in mehrere ingenieurwissenschaftliche Fakuläten der TU BS einbringen. Dies unterscheidet das Profil ihrer Professur von der MGM-Professur „Geschlecht, Technik und Mobilität“, die Dr.-Ing. Corinna Bath 2012-2022 inne hatte; sie war am Institut für Flugführung der TU BS angesiedelt und zugleich hochschulübergreifend auch an der Ostfalia HaW tätig.
Die neue Gender.Ing-Professur ist eine Kooperation von drei TU-Fakultäten: neben der die Professur ansiedelnden Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften (FK 3) sind dieses die Fakultät für Maschinenbau (FK 4) sowie für Elektrotechnik, Informationstechnik und Physik (FK 5). Dies bringt die Chance mit sich, in der ingenieurwissenschaftlichen Forschung Geschlechterdimensionen zu berücksichtigen, wenn diese relevant sind (s. Beitrag FAQ zur Gender-Relevanzprüfung).
Erste Perspektiven für Forschung und Lehre an der TU
In Kooperation mit der Universität Kassel bringt Bertram ein Teilprojekt der DFG-Forschungsgruppe „Neue Suburbanität“ an die TU. Das Teilprojekt „Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit in neuen suburbanen Quartieren im Spannungsfeld von egalitären Geschlechterbeziehungen und sich wandelnden strukturellen Arbeitsbedingungen“ verbindet Stadtentwicklungsfragen mit feministischer Planungskritik und gendersensibler Planung.
Ab dem Wintersemester 2023/24 bietet Bertram Lehrveranstaltungen an, die für Master-Studierende aller drei Fakultäten offen sind. Geplant ist die Einführungsveranstaltung „Geschlechteraspekte in den Ingenieurwissenschaften“ sowie das Seminar „Wohnen und Arbeiten im Wandel“, das inhaltlich mit der LV „Bauen im Kontext/Büro zu Wohnen“ abgestimmt ist.
Gendersensible und Care-orientierte Stadtplanung
An der Universität Kassel hat sich Henriette Bertram bereits seit einigen Jahren mit gendersensibler und care-orientierter Stadtplanung beschäftigt. Dabei interessiert sie sich sowohl dafür, wie Stadtkritik aus der Genderperspektive mittlerweile von Planenden aufgenommen und umgesetzt wird, als auch für die Seite der Bewohner:innen mit Sorgeverantwortung. Sie untersucht die Strategien, Hindernisse und unterstützenden Faktoren für die Vereinbarkeit von Sorge und Erwerbstätigkeit. Insbesondere die Frage nach der planungsseitigen Berücksichtigung von Sorgearbeit hat sie im Rahmen einer Vorstudie für die DFG-Forschungsgruppe vertieft, die vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert wurde. In Kürze erscheint dazu der Buchbeitrag „Planning Gender-Inclusive Cities“.
Bertram, Henriette (2023): Planning Gender-Inclusive Cities: Tactical and Strategic Support for the Reconciliation of Paid Work and Care Work. In: Čamprag, Nebojša/ Suri, Anshika/Ugur, Lauren (Hg.): Rethinking Urban Transformations. A New Paradigm for Inclusive Cities. Springer. (Zur Ankünidung)
Bertram Henriette (2021): Genderverhältnisse und (suburbaner) Raum – Wechselwirkungen, Wandel und Rolle der Planung. Diskussionspapier. Herausgegeben vom Forschungsverbund Neue Suburbanität. Universität Kassel. (Zum pdf)
Bertram, Henriette (2020): Feministisches Suburbia oder: Wie misst man Geschlechtergerechtigkeit im Stadtteil? Von Widersprüchen, Ungereimtheiten und Unschärfen bei der gendersensitiven Planung. Feministische GeoRundmail 85–89. (Zum pdf)
Lehrprojekte mit Interventionen in Kassel und Umgebung
Auch in der Lehre hat Henriette Bertram die Zusammenhänge von Raumwahrnehmung/-nutzung und Geschlecht gemeinsam mit Kolleg:innen und Studierenden analysiert und reflektiert. So entstanden u. a. Konzepte für gendersensible Interventionen in fünf Kasseler Stadtteilen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Erkenntnisse lassen sich im Podcast StadtLabor „Mehr Chancengleichheit für alle durch gendersensibles Planen“ nachhören. In dem Studieprojekt „Identität in Stadt und Region. Diverse Identitäten“ betrachteten die Studierenden die Identitätskonstruktion der hessischen Kur- und Festspielstadt Bad Hersfeld; der Fokus lag auf verdrängten Identitäten im Image der Stadt: ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, Frauen, Menschen mit multikulturellem Hintergrund, Sinti und Roma, queere Personen. Aus dem Forschungsprojekt ist ein Diversity Guide für Kommunen und Stadtverwaltungen entstanden, der in einem Video vorgestellt wird.
Wissenschaftlicher Werdegang
Nach dem kulturwissenschaftlichen Studium in Frankfurt (Oder) und Madrid hat Henriette Bertram an der Universität Kassel zunächst am Fachgebiet Ökonomie der Stadt- und Regionalentwicklung und – nach ihrer Promotion 2017 zur Stadterneuerung in Belfast nach dem Ende des Nordirlandkonflikts – ebenfalls im Fachbereich Architektur als wissenschaftliche Koordinationrin des Forschungsverbundes „Neue Suburbanität“ gearbeitet. Seit Mai 2023 ist sie an der TU Braunschweig, angesiedelt am Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur.
Zur Person
Jun.-Prof. Dr. Henriette Bertram
Technische Universität Braunschweig
Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur
Mühlenpfordtstr. 23, 10.OG
38106 Braunschweig
Tel.: + 49 531 – 391 3555
Email: henriette.bertram@tu-braunschweig.de
https://www.tu-braunschweig.de/ibea
Forschungs- und Lehrschwerpunkte:
- Gendersensible und Stadt- und Raumplanung
- Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit
- Expert:innen-Laien-Kommunikation in den Ingenieurwissenschaften
Henriette Bertram ist seit August 2023 Mitglied im Gender-Netzwerk des Braunschweiger Zentrums für Gender Studies.