Die Themen des BZG sowie des Netzwerkes Gender Studies lassen sich in folgende fünf Themenschwerpunkte bündeln. Sie sind interdisziplinär und hochschulübergreifend vertreten, wobei nicht alle Schwerpunktthemen in allen Hochschulen gleichermaßen bearbeitet werden. Die Schwerpunktthemen berücksichtigen ebenso die Forschung wie die Lehre.
Der Themenschwerpunkt der Science and Technology Studies untersucht den sozialen, materiellen und symbolischen Kontext von Wissenschaft und Technik aus historischen, gesellschaftlichen, philosophischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Perspektiven.
Welche Rolle spielt Geschlecht in der Wissenschaft und Technologieentwicklung? Inwiefern prägt die Kategorie Geschlecht Berufs- und Karrierewege in einzelnen Wissenschaftsbereichen, Fachkulturen und Technikfeldern? In welcher Weise ist Geschlecht in die Produktion und Darstellung wissenschaftlichen Wissens und von Technologien eingelassen? Wie wird Geschlecht durch Wissenschaft und Technik mit produziert?
Technik und Wissenschaft sind von Geschlechterverhältnissen und -ordnungen in dreifacher Weise geprägt. Auf der Ebene der Repräsentanz wird die An- und Abwesenheit von Frauen bzw. Männern in bestimmten Disziplinen fokussiert (Wer forscht/entwickelt/konzipiert?). Mit Blick auf das Wissen wird nach den expliziten Aussagen über Geschlecht in Bezug auf Technik und Wissenschaft gefragt (Für wen und mit welchem Genderwissen werden Produkte wie Autos oder Pflegeroboter entwickelt?). Auf der Metaebene werden impliziten Vorannahmen analysiert, die in Technologien und Wissenschaft einfließen (Wie strukturieren Geschlechterverständnisse explizite oder stillschweigende Vor-Annahmen eines wissenschaftlichen oder technischen Felds?). Die integrative Bearbeitung von Genderdimensionen in den Natur- und Technikwissenschaften ist ein noch junges Forschungsfeld, in welchem sich die drei Hochschulen im Braunschweiger Raum hervortun. Sie tragen zu einer interdisziplinären Wissenschafts- und Technikreflexion bei, die Gender als Ausgangspunkt nimmt, um Ansätze der Sozial-, Geistes- und Medienwissenschaften mit solchen der Natur- und Ingenieurwissenschaften zu verbinden. Mit Erkenntnissen und Methoden der Gender Studies können Grundlagen, Entwicklungen, Auswirkungen und Zukunft von Mobilität, Stadt, Energie und Nachhaltigkeit sowie Lebenswissenschaften (genauer: Infektion & Wirkstoffe) reflektiert werden. Geschlecht wird zum Ausgangs- und Markierungspunkt für Untersuchungen, wie Wirtschaft und Technik Ungleichheit fördern oder aber abbauen können. Quer dazu liegt die Analyse von Prozessen der Digitalisierung und Materialisierung.
Der Themenschwerpunkt zeichnet sich durch interdisziplinäre Forschung und Lehre zur Heterogenität in Bildungseinrichtungen und -prozessen aus.
Welche Rolle spielt Geschlecht in der Schule oder in anderen Bildungsinstitutionen? Welche konkreten Methoden und Bausteine bieten sich in fachbezogenen und fachübergreifenden Kontexten an? Wie kann eine offene Haltung gegenüber Heterogenität im konkreten Feld gefördert werden?
Bildung ist kein geschlechtsneutraler Raum. Differenzen und Stereotype werden häufig explizit und implizit in Lehrmaterialien, Unterrichtsgestaltungen und Interaktionen (re-)produziert und stehen einer Gleichberechtigung entgegen. Eine gendersensible Pädagogik fördert die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Dabei werden Verschränkungen mit verschiedenen anderen Differenzverhältnissen wie ethnisch-nationale und sozio-ökonomische Herkunft berücksichtigt, wobei Sprache ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. In Projekten wird das Feld historisch, strukturell und handlungsbezogen untersucht mit dem Ziel, einen reflektierten Umgang mit Geschlecht in Bildungskontexten zu unterstützen.
Der Themenschwerpunkt betrachtet die Konstruktion und Aneignung von städtischen und ländlichen Räumen aus Gendersicht und ihre Veränderung durch den vernetzten Einfluss von Bedarfen, Nutzungskonkurrenzen und Governance.
Wie schlagen sich Geschlechterverhältnisse in der Gestaltung und Nutzung von Stadt und Raum sowie in der Ressourcenverteilung nieder? Wie prägen Geschlechterwissen und -stereotype Raumtypologien und ihre Verwaltung? Welche Konnotationen und Vorstellungen sind mit verschiedenen öffentlichen und privaten (städtischen) Räumen verbunden?
Stadt und Raum sind in vielfacher Weise von Geschlecht durchdrungen: als Raumkonstrukt sind sie geprägt von geschlechterdifferenzierenden Zuschreibungen. So schafft die Geschlechtersegregation getrennte Räume für Erwerbs- und Sorgearbeit und die damit zusammenhängende geschlechtlich markierte Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit beeinflusst die Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Auch bei raumbezogenen Gewalt- und Sicherheitsfragen spielt das Geschlecht eine Rolle. Insgesamt schränkt die Geschlechternormierung konkreter Orte die Handlungs- und Raumgestaltungsmöglichkeiten ein – eröffnet aber auch Optionen eigenmächtiger Raumaneignungen. Hinzu kommen geänderte Lebens- und Arbeitsbedingungen – die damit einhergehenden Veränderungen im Mobilitätsmuster sowie im Tätigkeits- und Zeitmanagement wirkt auch auf die Anforderungen an Räume und deren Lebensqualität. Diese Konstruktionen aufzudecken und so Grundlagen für eine gerechte Verteilung und Nutzung von Räumen für alle zu schaffen, ist Aufgaben einer geschlechtersensiblen räumlichen Planung.
Der Themenschwerpunkt widmet sich der Forschung zu Teilhabemöglichkeiten von Personen, Gruppen und Organisationen sowie zur Versorgung von Personen, insbesondere vulnerablen und solchen mit Unterstützungsbedarf unter Berücksichtigung von Geschlechterdimensionen.
In welcher Weise prägt die Kategorie Geschlecht die Partizipation in unterschiedlichen Bereichen, z.B. Technikentwicklung, Care und Mobilität? Welche Versorgungsleistungen kommen welchen Personen zugute und wer leistet die Versorgung? Inwiefern hängen materielle Infrastrukturen wie die Wasserversorgung mit Geschlechterverhältnissen zusammen?
Partizipation und Versorgung sind geschlechtlich geprägt, wobei dieses nach Feldern stark variiert. Sei es im alten Griechenland oder im heutigen Deutschland – die Partizipation ist vielfach geschlechtlich differenziert. So erweisen sich z.B. nach wie vor Pflege und Care als überwiegend weibliche Tätigkeitsfelder und die Technikentwicklung als männerdominierte Domäne. Geschlechtergerechtigkeit beinhaltet technische und soziale Lösungen zur Förderung der Teilhabemöglichkeiten aller. Ebenso ist eine Versorgung auf infrastruktureller und gesundheitlicher Ebene im Gesundheitswesen von Nöten. Eine interdisziplinäre Forschung unter Berücksichtigung von Diversity-Aspekten bietet hier Ansätze zur Analyse sowie Lösung sozialer Ungleichheiten. So kommen z.B. Fragen von Gender in der Migrationsforschung in den Blick. Aber auch die Verknüpfung von demographischen und sozioökonomischen Aspekten wie die Weiblichkeit des Alters und der Armut werden erforscht. Der Umgang mit alternden und pflegebedürftigen Menschen wird in einer ganzheitlichen, kultursensiblen und techniksoziologischen Perspektive betrachtet. Erforscht werden u.a. sozio-emotional-technische Arrangements von „care“ im Vergleich zwischen Europa und Ostasien.
Eng mit Partizipation und Versorgung verbunden sind Fragen der Repräsentation und Ressourcen: wer hat Ressourcen, Macht und öffentliche Sichtbarkeit? Historisch sind die Aktivitäten von Frauen vielfach unsichtbar geblieben, sodass ihre Partizipation an kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen bis heute aufgedeckt werden.
Dieser Themenschwerpunkt umfasst Themen der Kommunikation und Kommunikationstechnik, medienkulturwissenschaftliche sowie gestaltungswissenschaftliche Ansätze unter Berücksichtigung der Geschlechterperspektive.
Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive stellen sich folgende Fragen: Wo und wie erweisen sich Geschlechter in Kommunikationen als verschieden – und wie werden Geschlechter in Kommunikation als verschieden hervorgebracht? Wie prägen Geschlechterzuweisungen Produktgestaltungen und wie verbinden sich damit wiederum unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten?
Aus medienkulturwissenschaftlicher Perspektive sind folgende Fragen relevant: In welcher Weise artikulieren sich geschlechtliche Codierungen in der ästhetischen Erscheinung von Medien? Welche ideologischen Implikationen sind damit verbunden? Welche Bildpolitiken existieren, und wie können sie verändert werden?
Die drei eigenständigen Bereiche Medien, Kommunikation und Gestaltung sind durch die besondere Bedeutung der Zeichenhaftigkeit, der semiologischen Dimension von Sprache, Bild und Material verbunden. Leitende Forschungsfragen sind hier sowohl die Einschreibung von Geschlecht in den Gegenstand als auch die gleichzeitige Hervorbringung von Geschlecht. Es werden künstlerisch-kreative und sozial-funktionale ebenso erforscht wie materiell-technische und rechtliche Dimensionen. Zugleich sind Fragen der Repräsentanz sowie der Wirkung von Bedeutung.