Die Macht der Perspektive

Gastvortrag der Autorin Sandra Hoffmann am 11.07.2024

Seminargespräch mit der Autorin zu ihrem Roman „Jetzt bist Du da“ (2023)
11. Juli 2024, 13:15-14:45 Uhr
Bienroder Weg 85, Raum BI 85.8
Nordcampus, TU Braunschweig
Eintritt frei

Die Veranstaltung ist Teil des Hauptseminars „Ecocriticism in der Literatur“ von Philipp Schlüter (Institut für Germanistik, TU Braunschweig).
Worum geht es in dem Gespräch?

Die Autorin Sandra Hoffmann nennt ihren neuen Roman „Jetzt bist Du da“ (2023) selbst einen „Gegenentwurf“ zu Vladimir Nabokovs „Lolita“ (1955). Doch in ihrem literarischen Kammerspiel in einer Hütte am Waldrand, in welcher die 42-jährige Waldpädagogin Claire seit Jahren mit ihrer Hündin Nora in tiefem Respekt vor der Natur lebt, geht das Motiv des Begehrens vom 16-jährigen Janis aus, der mit seiner Klasse einige Wochen zuvor im Wald-Camp bei Claire verbracht hatte. Allen Mut zusammennehmend steht dieser, von seiner Sehnsucht getrieben, eines Tages bei Claire im Vorgarten und dringt unangemeldet in ihre Privatsphäre ein (der Titel des Romans zeigt das markant an). Das Packende wie auch Provokative daran ist, dass auch Claire etwas für Janis übrighat, sodass im Verlauf der Handlung ein existentielles Spannungsfeld zwischen Begierde und moralischer Verantwortung, zwischen Impulsivität und Reflektion sowie, etwas abstrakter gerahmt, zwischen Natur und Kultur entfaltet. In erster Linie erzählt der Text von einer Frau, die sich gewissermaßen von ihrem eigenen und damit auch vom männlichen Verlangen emanzipiert. Der Text muss unbedingt gender-perspektivisch als Gegenfolie zum patriarchalen Machtmissbrauch in Nabokovs „Lolita“ gesehen werden, bietet also einen weiblichen Gegenentwurf im Sinne eines geschlechtlichen ‚Prinzips Verantwortung‘. Nicht genug hervorzuheben ist die feine Sprache, die Sandra Hoffmann für dieses moralisch wie figurenpsychologisch herausforderndes Thema gefunden hat. Sowohl Claire als auch Janis werden vorurteilsfrei in ihren Sehnsüchten und Ängsten gezeigt. Weiterhin stellt der Text als Schreibweise des sogenannten Nature Writings in seinem filigran-staunenden Erzählen von Flora und Fauna letztlich auch die fundamentale Frage nach dem grundlegenden Unterschied zwischen Mensch und Natur respektive Tier.

Die Finanzierung des Gastvortrags erfolgt aus Studienqualitätsmitteln über das BZG.