Macht ohne Männlichkeit

Zur aktuellen Forschung von Dr. Bernadette Descharmes

Wie verhalten sich Macht und Geschlecht in der griechischen und römischen Antike? Dieser Frage geht der im Oktober 2023 erscheinende Sammelband „Weiblichkeit – Macht – Männlichkeit“ der Berner Althistoriker*innen Jan Meister und Seraina Ruprecht in konkreten Fallstudien nach.

Mit dabei: ein Beitrag von Bernadette Descharmes vom Institut für Geschichtswissenschaft der TU Braunschweig.

Der Beitrag von Bernadette Descharmes

In ihrem Aufsatz „Macht ohne Männlichkeit. Der Hofeunuch in der Spätantike“ untersucht sie die Frage, wie der Eunuch Eutropius trotz seiner Unmännlichkeit zu einer solchen außerordentlichen Machtstellung gelangen konnte, dass ihm sogar das Konsulat übertragen wurde. Die Herausgeber*innen Jan Meister und Seraina Ruprecht (2023: 33f.) schreiben: „Der Beitrag reflektiert den Zusammenhang von Macht und (Un-)Männlichkeit am Beispiel des Eunuchen Eutrop, der neben dem jungen Kaiser Arcadius kurzzeitig zum mächtigsten Mann im Oströmischen Reich wurde und gar als einziger Eunuch in der römischen Geschichte die Ehre eines Konsulats erlangte. Dieser Erfolg des Eutrop bewegte den weströmischen Dichter Claudian zu seiner Invektive In Eutropium, in der die Identität des Geschmähten als Eunuch das zentrale Thema darstellt: Eutrop sei feige, unterwürfig, verweichlicht, sprich »unmännlich«. Dennoch verfügte Eutrop offenkundig über eine faktische Macht, die aber, wie Descharmes zeigt, weniger auf militärischer, familiärer oder sexueller Dominanz als vielmehr auf deren Abwesenheit basierte: Es war just die von Claudian geschmähte Eigenschaft als Eunuch und die damit einhergehende defizitäre Männlichkeit, die Eutrop die Nähe zum Kaiser und damit die politische Einflussnahme am Hof ermöglichte. Dementsprechend, so Descharmes, zeige das Beispiel Eutrops, dass Macht auch unabhängig von traditionellen Männlichkeitsvorstellungen realisierbar war, und gleichzeitig verdeutliche die Reaktion Claudians die Irritationen der Zeitgenossen bei der Einordnung dieses Phänomens.“

Einen kleinen Einblick in die Erkenntnisse bietet Descharmes in ihrem GenderClip am 11.12.2023 im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung „GenderVisionen23. 8. Braunschweiger Gender Forum zum 20-jährigen Jubiläum des BZG“.

Bernadette Descharmes (2023): Macht ohne Männlichkeit? Der Hofeunuch in der Spätantike. In: Meister, Jan B./ Ruprecht, Seraina (Hg.): Weiblichkeit – Macht – Männlichkeit. Perspektiven für eine Geschlechtergeschichte
der Antike. Frankfurt/M., New York: Campus, S. 305-323 (zur Buchwebseite hier).

Zur Person

Dr. Bernadette Descharmes

Technische Universität Braunschweig
Alte Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaft
Schleinitzstr. 13, OG, Raum 208
38106 Braunschweig
Tel.: + 49 531 – 391 3086
Email: b.descharmes@tu-braunschweig.de

Forschungs- und Lehrschwerpunkte:

  • Römische und griechische Sozial- und Kulturgeschichte mit Schwerpunkt auf der Betrachtung von
    – städtischer Hygiene und Infrastruktur
    – Nahbeziehungen
    – Geschlechterkonzeptionen und Geschlechterbeziehungen
    – Körperlichkeit
    – Emotionen
    – Invektiven und Marginalisierungen
  • Seefahrt, Seeherrschaft und Piraterie in der griechischen und römischen Antike

Bernadettes Descharmes ist seit 2014 Mitglied des Braunschweiger Zentrums für Gender Studies.