Projektarbeiten im Ringseminar „Stadt. Räume. Gender.“
Stadt und Raum sind in verschiedener Weise mit Gender verknüpft. Diesem Verhältnis war das diesjährige interdiszipläre Ringseminar im Sommersemester 2021 auf der Spur: Zehn Dozent*innen aus sechs Fakultäten von zwei Hochschulen haben die Inhalte gestaltet. Und erstmals waren Studierende der drei Hochschulen dabei, die im Braunschweiger Netzwerk für Gender und Diversity Studies kooperieren.
Viele Perspektiven auf ein Thema
Die Sitzungen des interdisziplinären Ringseminars werden traditionell von Dozent*innen der drei Hochschulen (TU, Ostfalia und HBK) gestaltet, sodass ein Einblick in verschiedene Disziplinen und Fachkulturen gegeben wird. Auch dieses Semester gestalteten Mitglieder des Netzwerks die Sitzungen, wobei neue Themenverwandtschaften und -schnittmengen sichtbar wurden.
Die thematische Einführung von Juliette Wedl (Koordinierungsstelle Gender und Diversity Studies), gab Einblicke in Aspekte der Geschlechtergeschichte, die Entwicklung sozialer Ungleichheit ab dem 18. Jahrhundert und die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit. Es folgten drei Themenblöcke:
- „Stadt – Orte – Wege“: Bettina Wahrig (Abt. für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte, TU Braunschweig) fragte, was uns die Stadt zu ihrer Geschlechtergeschichte verrät, z.B. anhand von Straßennamen. Andreas Jain und Katharina Bingel (Institut für Tourismus- und Regionalforschung, Ostfalia) führten in die Gendersensitive Planung der Stadt ein und Gabriele G. Kiefer (Institut für Landschaftsarchitektur, TU Braunschweig) leitete die Studierenden an, mit einer Gender-Brille durch die Stadt zu laufen und daraus Collagen zu entwickeln. An diesen Beispielen zeigt sich bereits die Unterschiedlichkeit der methodischen Zugänge, die die Studierenden kennenlernten.
- „Raum – Nutzen – Wohnen“: Gentrifizierung zog sich als roter Faden durch diesen Themenblock. Mit Ariane Brenssell (Fakultät Soziale Arbeit, Ostfalia) wurde erarbeitet, welche Erkenntnisse sich aus einer queer-feministischen Perspektive auf Prozesse der Gentrifizierung generieren lassen. Wie sich diese auf die Clubkultur und die Clubräume auswirkt, die bedeutende Schutzräume für queere Menschen darstellen, diskutierten die Studierenden mit Dietmar Elflein (Institut für Musik und ihre Vermittlung, TU Braunschweig). Corinna Bath und Sandra Buchmüller (AK Gender, Technik und Mobilität am Institut für Flugführung, TU Braunschweig und Ostfalia) widmeten sich der Smart-Home-Technologie, um dem Zusammenhang zwischen Technologieentwicklung, Geschlecht und sozialer Ungleichheit nachzugehen.
- „Kunst“: Wie wir Städte erleben und was es heißt, in einer Stadt einsam zu sein wurde mit Eckart Voigts (Abt. Literatur- und Kulturwissenschaft am Institut für Anglistik und Amerikanistik, TU Braunschweig) anhand des Romans „The Lonely City“ von Olivia Laing diskutiert.
App-unterstützte Stadt-Touren im Entstehen
Als Prüfungsleistung entwickeln die Studierenden Stadttouren und realisieren davon ausgewählte Stationen. In der queeren Braunschweig-Tour wurde nicht nur das queere Zentrum Onkel Emma aus stadtplanerischer Sicht betrachtet, sondern auch das Gewandhaus als Tanz-Ort für „Womendance/Mendance“ sowie das St. Albertus Magnus Dominikanerkloster vorgestellt, in dem trotz einer konträren Haltung seitens des Vartikans auch gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden. Weitere Stadttouren, die aktuell noch erarbeitet werden, widment sich dem Staatstheater, der Brunsviga, den monumentalen Repräsentationen von Geschlecht, der Club- und Musikszene sowie kulturschaffenden Frauen. Auch für die Stadt-Touren stehen die Dozent*innen mit Rat und Tat den Studierenden zur Seite.
In einem Seminar von Bettina Wahrig hatten Studierende der Pharmazie bereits braunschweigbezogene Touren entwickelt, z.B. ein Actionbound zu Agnes Pockels. Bis Stadtouren aus unserem Seminar veröffentlichungsreif sind, wird noch ein wenig Zeit vergehen, aber sicherlich wird die eine oder andere Tour mit Gender-Brille das Angebot in Zukunft erweitern können.
Mehr zum Seminar inkl. Handout finden Sie hier.
Ein Ringseminar – drei Hochschulen
Das Ringseminar existiert seit 2001. Seit Gründung des Gender-Zentrums sollte es für Studierende aller drei Hochschulen offen sein, doch erwies sich dieses u.a. aufgrund der unterschiedlichen Semesterzeiten sowie der inzwischen örtlichen Trennung als schwierig.
Die coronabedingte Online-Lehre hat uns auf die Idee gebracht, dieses Semester das Lehrangebot auch für Ostfalia-Studierende zu öffnen. Es wurde in zwei Studiengänge eingebunden: Stadt- und Regionalmanagement (Campus Salzgitter) und Soziale Arbeit (Campus Wolfenbüttel). Durch den um einen Monat versetzten Vorlesungsstart zwischen Ostfalia einerseits und TU sowie HBK andererseits blieb es eine koordinatorische Herausforderung, alles unter einen Zeithut zu bringen. Doch planen wir, dieses Experiment im kommenden Semester zu wiederholen und – wenn alles gut geht -, zukünftig das Seminar jedes Wintersemester für Studierenden aller drei Hochschulen anzubieten.
Neues Konzept im Wintersemester
Dieses ist möglich, weil wir – ebenfalls coronabedingt – unser Seminar im Wintersemester 2020/21 neu strukturiert haben. Statt wie die Jahre zuvor Sommer wie Winter jede Woche ein neues Thema mit wechselnden Dozent*innen zu organisieren, haben wir uns entschlossen, das Wintersemester nicht mehr als Ringseminars zu gestalten. Mit Blick auf das zukünftige Gender-Zertifikat bieten wir jetzt eine Einführung in Grundbegriffe und Themenfelder der Gender Studies an. Diese besteht aus fünf Themenblöcken: Theorien der Gender Studies, Arbeit und Vereinbarkeit, Identität, Sprache sowie queer-feministische Bewegungen. Die von verschiedenen Dozent*innen erstellten Inputs und ausgewählten Materialien werden von den Studierenden zunächst in einer Selbstlern- und Arbeitsgruppenphase bearbeitet und anschließend mit den Dozent*innen im Plenum diskutiert.
Dieses Konzept behalten wir auch nach Corona bei, sodass wir digitale Lehre und Präsenzveranstaltungen abwechseln. Dabei können wir auf Erkenntnisse aus unserem E-Learning-Projekt zurückgreifen.