Rückblick auf das erste Projektjahr
Im Februar 2024 fiel der offizielle Startschuss für das BMBF-geförderte Projekt „Geschlechterdimensionen im Blick der MINT-Forschung (GeDiMINT)“ an der Technischen Universität Braunschweig. In insgesamt fünf Jahren soll strukturell daran gearbeitet werden, die Berücksichtigung von Geschlechterdimensionen in den ingenieur-, lebens- und naturwissenschaftlichen Disziplinen zu fördern und die gewonnenen Erkenntnisse auch anderen Hochschulen bundesweit zugänglich zu machen. Ein ambitioniertes Ziel, dem sich das GeDiMINT-Team im ersten Jahr bereits mit viel Engagement und zahlreichen Aktivitäten widmete. Alle GeDiMINT-Vorhaben sind Bestandteile der drei Handlungsfelder Gender Research Support (I), Gender Dialogues (II) und Knowledge Exchange (III).
Handlungsfeld I: Beratung und Vermittlung
Im Handlungsfeld Gender Research Support stehen vor allem individuelle Beratungen und Informationsvermittlung sowie Kurzinputs und Workshops im Mittelpunkt.
Antragsberatung
So hat das GeDiMINT-Team bei verschiedenen Antragstellungen beratend unterstützt, u.a. bei den zwei Folgeanträgen der Exzellenzclustern „Quantum Frontiers – Licht und Materie an der Quantengrenze“ und „SE2A – Sustainable and Energy-Efficient Aviation“. Gemeinsam mit dem Projekthaus wurde die Berücksichtigung von Geschlechterdimensionen in die inzwischen mit 22,5 Millionen Euro bewilligten Anträge BrightBrain und ReSpace der TU Braunschweig integriert. Sie sind Teil des niedersächsischen Wissenschaftsförderprogramm Potenziale strategisch entfalten.
Workshops und Wissensvermittlung
Durch GradTUBS– und Postdoc-Workshops sowie Vorträge, u.a. beim Studium Generale, wurde das GeDiMINT-Anliegen und die dafür notwendigen Ansätze vermittelt. Dem Prinzip der offenen Tür folgend laden diese Formate dazu ein, die Relevanz von Geschlechterdimensionen in der eigenen Forschung zu prüfen und zu diskutieren. Ein besonderes Highlight war der Vortrag „SynTrac meets GeDiMINT: How Sex and Gender Dimensions matter in Engineering“ auf der Jahrestagung des SFB/TRR Synergies of Highly Integrated Transport Aircraft (SynTrac). Durch Fallbeispiele wurde illustriert, wo Genderdimensionen in der Flugzeugforschung relevant werden können. Die über 50 Teilnehmenden konnten Fragen zur Forschungsumsetzung sowie zum eigenen Projekten stellen. Solche Gelegenheiten fördern nicht nur den Wissensaustausch, sondern zeigen auch, dass die Relevanz von Geschlechterdimensionen weniger etwas Abstraktes oder Politisches als vielmehr Bedeutend für die Qualitätssteigerung der eigenen Forschung ist.
Toolbox
Für 2025 ist der Ausbau der Toolbox geplant, die Informationen, Fallstudien und Materialien bereitstellt, um eine eigenständige Prüfung der Relevanz von Geschlechterdimensionen in MINT-Fächern zu erleichtern. Hierfür wurden insbesondere für die Forschungsbereiche der TU Braunschweig passende Literatur recherchiert und in eine Zotero-Datenbank eingepflegt. Dieses wird in der ersten Jahreshälfte 2025 über die Toolbox zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurde aus der GeDiMINT-Beratungspraxis ein erster Leitfaden für Antragstellende zur Prüfung der Relevanz von Geschlechterdimensionen im eigenen Forschungsvorhaben oder -projekt erstellt, welches auch bei der Antragsstellung eines Graduiertenkollegs genutzt wurde. Weitere GeDiMINT-Leitfäden folgen aus der Beratungspraxis. Sie werden sukzessive in der Toolbox zur Verfügung gestellt.
Forschungsdatenbank
In Kooperation mit dem Forschungsservice gelang es, im Rahmen der für 2025 geplanten Einführung des Forschungsinformationssystems (FIS) eine sehr schlicht gehaltene Abfrage über Geschlecht und Diversität in Bezug auf Menschen und anderen Lebewesen zu integrieren.
Handlungsfeld II: Austausch und Anreize
In diesem Handlungsfeld werden Vorträge und Austauschformate als Dialogformate (Gender Dialogues) sowie seed-funding-Angebote, um die Auseinandersetzen mit Geschlechterdimensionen in der eigenen Forschung monetär zu unterstützen, angeboten.
Gastaufenthalte & Workshop mit externer Expertise
2024 starteten wir mit der Förderung von Gastaufenthalten an der TU Braunschweig (Ausschreibung Researcher in Residence): In der Nachwuchsforschungsgruppe Communicating Scientists: Challenges, Competencies, Contexts (fourC) lud Dr. Friederike Hendricks die Wissenschatflerin für Gender und Diversity Dr. Anneke Steegh (Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik) ein. Verbunden mit einer Weiterbildung zu „Gender und Diversity als Querschnittsthema für kommunizierende Wissenschaftler*innen – Fokus MINT“, wurde mit Dr. Jana Gerlach (Margherita-von-Brentano-Zentrums für Geschlechterforschung) als Expertin eruiert, welche Potentiale die Reflexion von Gender und Diversitätsaspekten im Rahmen von Wissenschaftskommunikation haben kann und wie diese Erkenntnisse in Trainings Eingang finden können. Darauf aufbauend wurde die eigene Argumentations- und Sprechfähigkeit trainiert. Die Weiterbildung war Teil des Gender-Dialogues-Angebotes, TU-intern den Austausch als work in progress zu unterstützen, hier mittels des Formats eines Forschungszirkels.
Gender Dialogues
Neben dem Angebot verschiedener work-in-progress-Formate (Exkursionen, Werkstattgespräche und Forschungszirkel) ist die Vortragsreihe „Forschung im Dialog“ zentral, die pro Semester drei Veranstaltungen umfasst. Ein Highlight war 2024 der Online-Vortrag von Prof. Dr. Londa Schiebinger (University Stanford). Sie illustrierte mit Blick auf Gendered Innovations die Wichtigkeit von Geschlechterdimensionen anhand von Fallbeispielen in Anlehnung der TU-Forschungsschwerpunkte Mobilität, Engineering for Health und Stadt der Zukunft. In Bezug auf Mobilität in der Stadt thematisierte sie beispielsweise die Analyse von Nutzenden im Kontext des autonomen Fahrens. Dabei ging es u.a. um die Frage, in welchen Konstellationen ein autonomes Taxi oder andere Mietfahrdienste genutzt werden.
Die GeDiMINT-Tagung rundet die Impulsveranstaltungen in 2024 mit Prof. Dr. Martina Schraudner (TU Berlin und Fraunhofer CeRRI) und Prof. Dr. Martina Erlemann (FU Berlin) ab. Sie wurde durch eine Postersession mit TU-Projekten ergänzt. Anregend diskutiert wurde hier zu den Themen:
- Quartiersmanagement im urbanen Raum (Prof. Jürgen Pannek, Prof. Henriette Bertram, Prof. Christoph Herrmann, Dr.-Ing. Mark Mennenga, Prof. Bernhard Friedrich, Zahra Ghazanfarpour, Luisa Mennecke, Sarah Mente)
- Fördern flexible Arbeitsverhältnisse an privaten Hochschulen Frauen in MINT-Fächern? (Prof. Okka Zimmermann, Ester Höle, Julia Bührmann)
- Before we talk AI Guidelines (Dimah Ahmad, Prof. Henriette Bertram) sowie
- Gleichstellung versus Genderdimensionen in MINT-Outreach-Projekten (Dr. Anne Geese).
Die Mitschnitte aller erfolgten und kommenden Vorträge werden ab Mitte 2025 in der Toolbox zu finden sein.
Einblicke in die Rückmeldungen der Teilnehmenden
Die Einschätzungen zu den GeDiMINT-Veranstaltungen sind durchweg positiv – ein Grund zur Freude!

Grafik 1: Mittelwerte der Befragungen anlässlich der Vortragsreihe „Forschung im Dialog (FiD)“ 1 & 2 sowie der GeDiMINT-Tagung 2024 (Fünfstufige Likert-Skala)
Auch wenn zunächst größtenteils Teilnehmer*innen mit bestehendem Wissen über Geschlechterfragen zusammenfanden, ist deutlich zu erkennen: Alle haben Bedarf an einer vertiefenden Auseinandersetzung zum Thema; und diese hat im Arbeitsalltag eher selten Raum. Besonders ermutigend ist es, dass GeDiMINT als wertvoll empfunden wird und durch Weiterempfehlungen die Chance auf eine größere Bekanntheit innerhalb der TU Braunschweig hat.
Neben der quantitativen Erhebung wurden auch qualitative Fragen gestellt, um einen tieferen Einblick in die Bedürfnisse und Wünsche der Teilnehmenden zu gewinnen. Als besonders wertvoll wurden die persönliche Beratung und die inspirierenden Fallbeispiele auf der Webseite hervorgehoben. Diese Angebote sowie die Veranstaltungen werden als Möglichkeit gesehen, einen lebendigen Dialog und die aktive Netzwerkbildung zu fördern und neue Perspektiven in der Forschung zu eröffnen. Gerade die Anregungen zum und den bei den Veranstaltungen realisierten interdisziplinären und internationalen Austausch wurde als besonders bereichernd wahrgenommen. Praktische Beispiele, wie beim Einblick in Gendered Innovations, seien besonders interessant für die eigene Forschung.
Die Teilnehmenden äußern insbesondere den Wunsch nach Netzwerkmöglichkeiten und interdisziplinärem Austausch. Auch nicht-eurozentrische Perspektiven werden angeregt. Zudem könne ein dezentraler Ansatz, bei dem GeDiMINT-Angebote direkt in den Fakultäten stattfinden, die Zugänglichkeit weiter erhöhen. Das durchweg positive Feedback bestätigt, dass das Projekt eine wertvolle Plattform für den Austausch über Geschlechterdimensionen in der MINT-Forschung bietet und das Bewusstsein für das wichtige Thema an der Universität schärft.
Handlungsfeld III: Öffentlichkeit und Transfer
Das dritte Handlungsfeld Knowledge Exchange widmet sich der Öffentlichkeitsarbeit und dem Wissenstransfer innerhalb und außerhalb der TU Braunschweig.
GeDiMINT-Kommunikationskanäle
Zur Erhöhung der Sichtbarkeit trug zentral der Aufbau einer GeDiMINT-Website, Beiträge in TU-internen Newslettern sowie Projektvorstellungen bei Hochschulveranstaltungen wie dem TUmorrow Days bei. Über Blogbeiträge auf der Website des Braunschweiger Zentrums für Gender Studies wird über die anstehenden Aktivitäten informiert. Aber auch inhaltlich Beiträge werden erstellt; 2024 insbesondere zu Nachhaltigkeit und den Anforderungen für Peer-Review-Publikationen. Aber auch bei hochschulweiten Veranstaltungen wie dem Transformittag von iTUBS war GeDiMINT dabei.
Kooperationen konkretisieren
In der Antragsphase wurde das GeDiMINT-Vorhaben durch mehrere Letter of Intent unterstützt. Einige der Kooperationen wurden im ersten Jahr durch erste Gespräche konkretisiert, so v.a. mit der Gleichstellungsbeauftragten der Universität Stuttgart, dem Gleichstellungsbüro der Ostfalia sowie den Heads of Diversity and Inclusion der Volkswagen Group. Gemeinsam mit Letzteren wird für eine GeDiMINT-Tagung 2026 ein thematisch wirtschaftlicher Schwerpunkt geplant.
Vernetzung und Wissenstransfer
Ein weiterer Schritt war die Festigung des Netzwerks der insgesamt 12 Projekte, die in der BMBF-Förderrichtlinie „Geschlechteraspekte im Blick (GiB)“ gefördert werden. Regelmäßige Online-Treffen sowie ein organisiertes Zusammenkommen auf der KEG-Arbeitstagung (Konferenz der Einrichtungen für Frauen- und Geschlechterstudien im deutschsprachigen Raum) in Berlin ermöglichen einen kollegialen Erfahrungs- und Wissensaustausch und die gegenseitige Unterstützung. Gleichzeitig wurden in Berlin erste Bausteine für den Wissenstransfer im deutschsprachigen Raum gelegt.
GeDiMINT unterwegs
Mit dem Projekt ist die Aufgabe verbunden, das Vorhaben sowie gelungene Maßnahmen an andere Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu vermitteln. Hierfür hat das Projekt mit dem Vortrag MINT trifft Gender trifft MINT auf der 10. ÖGGF-Tagung Menschen – Maschinen – Umwelten in Graz über die Möglichkeit gesprochen, über das Projekt einen fachkulturübergreifenden Dialog zu fördern.
Gemeinsam mit dem Projekt GO Forschung der Universität Bayreuth in der gleichen Förderlinie wurde zudem ein Abstract für die Fachtagung 2025 des BMBF-geförderten Metavorhabens innovative Frauen im Fokus (Meta IFiF) eingereicht, welches angenommen wurde.
Ausblick
Wir blicken gespannt auf die kommenden GeDiMINT-Laufzeit und freuen uns auf weitere Möglichkeiten der Vernetzung und eines aktiven Dialogs zum Thema Geschlechterdimensionen im Bereich der MINT-Forschung. Anstehende Termine finden Sie auf unserer Website.
In den kommenden Jahren hat GeDiMINT zudem das Ziel, auch diejenigen zu erreichen, die bisher weniger Interesse am Thema haben – eine spannende Herausforderung, die neue Möglichkeiten eröffnet. Haben Sie Interesse an unserem Projekt sowie Ideen, Bedarfe oder Wünsche, kontaktieren Sie uns gerne unter gedimint@tu-braunschweig.de.