Kinderlosigkeit im Mittelalter

Neues aus dem Forschungsschwerpunkt von Prof. Dr. Regina Toepfer

Buch Regina Toepfer Kinderlosigkeit
Cover Verlag J.B. Metzler

Ist das Begehren nach einem Kind angeboren oder sozial bedingt? Wie kommt die Binarität von Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit zustande? Was hat unsere heutige Wahrnehmung von Kinderlosigkeit mit den Bewertungskriterien früherer Epochen zu tun? Diese Fragen zur Kinderlosigkeit werden von Regina Toepfer in verschiedenen Formaten für das Mittelalter thematisiert und diskutiert:

In ihrer druckfrischen Monografie „Kinderlosigkeit. Ersehnte, verweigerte und bereute Elternschaft im Mittelalter“, die sich an ein breites Publikum richtet, in einer für November 2020 geplanten Podiumsdiskussion unter der Leitfrage „Gibt es ein Recht, kein Kind zu bekommen?“ sowie in dem 2021 erscheinenden Themenheft der Zeitschrift „Das Mittelalter“, das verschiedene Beiträge zu Kinderlostikeit im Mittelalter versammeln wird.

Zum Buch „Kinderlosigkeit“ von Regina Toepfe

„Kinderlosigkeit ist kein biologisches Schicksal, sondern sozial und kulturell geprägt, argumentiert Regina Toepfer. Anknüpfend an aktuelle Diskussionen über Samenspende, Adoption, Kinderfreiheit und bereute Mutterschaft untersucht sie, wie im Mittelalter über Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit gesprochen wurde. In der Theologie, der Medizin und im Recht, aber auch in der Erzählliteratur zeichnen sich auffällige Unterschiede ab: Für die einen ist Kinderlosigkeit ein großes Problem, für die anderen ein hohes Ideal. Das Buch fragt nach den Gründen für diese Wertungen und nach historischen Veränderungen. Offengelegt werden so verschiedene Erzählmuster, die Geschichten der Kinderlosigkeit bis in die Gegenwart prägen: Das Spektrum reicht vom spät erfüllten Kinderwunsch dank göttlicher oder dämonischer Hilfe über soziale und religiöse Alternativen bis hin zur bewussten Entscheidung gegen Elternschaft und dem wunschlosen Glück innig Liebender.“ (Klappentext)

Toepfer, Regina (2020): Kinderlosigkeit. Ersehnte, verweigerte und bereute Elternschaft im Mittelalter. Stuttgart: J.B. Metzler.

Die Podiumsdiskussion
Standbild der Veranstaltung "Kinderlosigkeit - Traum statt Trauma?
 

Die Wahrnehmung ungewollter Kinderlosigkeit ist heute entscheidend durch die Reproduktionstechnologie bestimmt. Von Kinderwunschpaaren wird einfach erwartet, dass sie sich medizinisch ‚helfen‘ lassen. Welche Probleme aus dieser Auffassung erwachsen können, wird bei der digitalen Diskussion aus therapeutischer, medizinethischer, kulturhistorischer und feministischer Perspektive reflektiert. Gehör finden sollen gerade solche Stimmen, die die moderne Meistererzählung von Unfruchtbarkeit als Krankheit und den Gegendiskurs vom Egoismus kinderloser Frauen in Frage stellen.
Gemeinsam mit Regina Toepfer, die ihre Kenntnisse über Kinderlosikeit im Mittelalter einbringt, diskutieren
Verena Brunschweiger, Autorin der Bücher „Kinderfrei statt Kinderlos. Ein Manifest“ (2019) und „Die Childfree-Rebellion: Warum ‚zu radikal‘ gerade radikal genug ist“ (2020)
Petra Thorn, Mitglied des Ethikrats, Therapeutin spezialisiert auf psychosoziale Kinderwunschberatung, Herausgeberin mehrerer Bücher u.a. zu multipler Elternschaft

Der 75-minütigen Talk ist als Video weiterhin auf dem YouTube-Kanal der TU Braunschweig auch hier abrufbar. Er fand am Mittwoch den 18. November 2020 im Livestream statt.

Das Themenheft „Kinderlosigkeit“ der Zeitschrift „Das Mittelalter“ (2021)

Herausgegeben von Regina Toepfer und Bettina Wahrig

„In vielen historischen und literarischen Quellen des Mittelalters und der frühen Neuzeit wird Kinderlosigkeit als heikles Problem behandelt, das ambivalente Emotionen weckt und durch medizinische, religiöse und soziale Maßnahmen kuriert oder kompensiert werden soll. Deshalb dürfte das Thema der Kinderlosigkeit für alle mediävistischen Teildisziplinen lohnende Anknüpfungspunkte bieten. […] Eine Untersuchung von Kinderlosigkeit bietet tiefe Einblicke in Geschlechterideale, Körperkonzepte und Familienbilder. Anknüpfend an neuere Ansätze der Gender Studies und der Dis/ability Studies kann die Entstehung kultureller Normen nachgezeichnet und die zeitlose Gültigkeit tradierter Wertungskriterien hinterfragt werden.“ (Auszüge aus dem CfP)
Zum vollständigen (abgelaufenen) CfP des Themenheftes zu Kinderlosigkeit im Mittelalter hier.

Zur Person

Prof. Dr. Regina Toepfer
Bis März 2021:
Technische Universität Braunschweig
Institut für Germanistik
Abteilung: Linguistik und Mediävistik
Bienroder Weg 80D, 38106 Braunschweig
Homepage

Forschungsschwerpunkte: Antikenrezeption; Höfische Epik; Vormodernes Theater; Humanistische Übersetzungsliteratur; Formen des Tragischen; Narratologie; Gender Studies

Aktualisierung 2021: Regina Toepfer war seit ihrem Ruf an die TU Braunschweig Mitglied des Braunschweiger Netzwerks für Gender und Diversity Studies. Seit April 2021 ist sie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und leitet dort den Lehrstuhl für deutsche Philologie, ältere Abteilung (Link).