20 Jahre BZG

Ein Blick auf die letzten fünf Jahre mit Ausblick

Bildcollage GenderVisionen 2023Seit unserem letzten Jubiläum 2018 sind fünf Jahre vergangen. Die gestrige Jubiläumsfeier GenderVisionen23 nehmen wir zum Anlass, unseren Blick auf die Aktivitäten zwischen den Jubiläumsjahren zu richten. Einen kurzen Einblick gibt der Beitrag „Vielfalt erforschen und lehren“ im TU Magazins. Wir nehmen uns den Raum für einen ausführlicheren Rückblick. Dabei lässt sich auch ein Blick in die Zukunft wagen, zumindest unsere Visionen benennen.

Seit 2018 ist viel geschehen. Die Gender-Lehre bleibt eine wichtige Säule unser Aktivitäten, in der neben einer Kontinuität der Angebote auch Veränderungen Eingang gefunden haben. Zudem haben wir wichtige Projektabschlüsse und Neustarts erlebt. Und die Aktivitäten der Netzwerk-Mitglieder sowie im Netzwerk sind das Fundament der Gender Studies im Braunschweiger Raum.

Stärkung und Ausbau der Gender-Lehre und der Start unserer MedienBar

Das Braunschweiger Zentrum für Gender Studies (BZG) ist als Kooperationseinrichtung der TU Braunschweig, der Ostfalia HaW und der HBK Braunschweig seit seiner Gründung 2003 stark in der Lehre aktiv. Es bietet jedes Semester ein interdisziplinäres Ringseminar an – in den letzten fünf Jahren hat sich hier das Konzept v.a. durch die Ausgestaltung eines Einführungsseminars im Blended-Learning-Format im Wintersemester verändert. Im Sommersemester wird hingegen jeweils ein spezifisches Thema fokussiert, z.B. „Stadt. Räume. Gender.“ im ersten Coronajahr. Einige der dabei entstandenen digitalen Stadtführungen werden aktuell finalisiert und sollen – wie bereits andere studentische Projekte – veröffentlicht werden. Das studentische Projekte eines Memo-Spiels „Diversität im Kleiderschank“ aus einem vorherigen Seminaren konnten veröffentlicht werden.

Ergänzt werden die BZG-eigenen Lehrangebote durch spezifische Aktivitäten, wie die Beteiligung an der Ringvorlesung „We move Democracy“ der TU BS. Zur Unterstützung der Lehre veröffentlichen wir seit Oktober 2022 Beiträge in der Serie „MedienBar“ auf der BZG-Website: Die Hinweise auf Material(sammlungen), die wissenschaftliche Erkenntnisse zu gesellschaftlich relevanten Themen aus den Gender und Queer Studies vermitteln, können als Einstieg in ein Thema dienen – für sich selbst, in der Lehre oder auch im privaten Umfeld – und dazu beitragen, die Lehre abwechslungsreicher zu gestalten.

Zudem werden, koordiniert von Katja Barrenscheen, regelmäßig Gender-Lehraufträge und Gastvorträge finanziert, wodurch potentiell in allen Studiengängen Geschlechterperspektiven integriert werden können. Hierdurch wurde auch die studentische Ringvorlesung „System. Macht. Ungerechtigkeit.“ des Chaoskollektivs finanziell und beratend unterstützt.

Auch durch die Finanzierung von studentischen Hilfskräften werden Gender-Projekte gefördert, die ebenfalls in die Lehre einfließen. Ein Ergebnis hiervon ist etwa der Flyer des Projekts „Sexualität im Sportunterricht. Empirische Untersuchungen und pädagogische Empfehlungen“, das von Januar 2020 bis Dezember 2022 unter der Projektleitung von Dr. Nicola Böhlke (TU Braunschweig) und Benjamin Zander (Universität Göttingen) entstanden ist.

Start und Abschluss kooperativer Projekte

Neben der Lehre organisiert das BZG unter Leitung von Juliette Wedl kooperativer Entwicklungsprojekte; seit 2019 sind vier abgeschlossen und zwei neu auf den Weg gebracht.

Hochschule lehrt Vielfalt! (2018-2020) und Gender-Lehrmaterialien für Schule und Bildung (2017-2019)

Das über Studienqualitätsmittel der TU finanzierte BZG-Projekt „Gender-Lehrmaterialien für Schule und Bildung“ hat gemeinsam mit dem Kooperationsprojekt „Hochschule lehrt Vielfalt!“ die Aufgabe, Lehrkräfte zu befähigen, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Fachunterricht zu thematisieren und im Schulalltag LSBAT*I*Q-Schüler_innen kompetent zu unterstützen. LSBAT*I*Q steht für Lesbisch, schwul, bisexuell, asexuell, transgender, intergeschlechtlich und queer.

Das Projekt setzte sich dafür damit auseinander, wie aktuell in Schulen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt thematisiert wird sowie welche qualitativ wertvollen Lehrmaterialien und Unterrichtsbausteine zur Verfügung stehen.

Im Ergebnis wurde eine umfangreiche Materialsammlung von rund 2.000 Unterrichtsbausteinen, Methoden, Büchern etc. zusammengestellt, die im BZG angeschaut und ausgeliehen werden können. Zudem ist die zweibändige, auch digital zugängliche Publikation „Schule lehrt/lernt Vielfalt“ entstanden, die im ersten Band Basiswissen und Tipps und im zweiten Band Unterrichtsbausteine und Materialien zur Verfügung stellt. Für die Erweiterung des zweiten Bandes wurde die Kooperation des BZG mit der Akademie Waldschlösschen (AWS) 2020 fortgeführt.

Diese Materialien werden insbesondere in der Fortbildung von Lehrkräften sowie in der täglichen Arbeit an der Schule eingesetzt, so dass ein starker Transfer in den Bildungskontext Schule erfolgt.

Das Kooperationsprojekt war ein Teilprojekt des Modellprojektes „Akzeptanz für Vielfalt – gegen Homo-, Trans*- und Inter*feindlichkeit“ der AWS im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ vom BMFSFJ; es wurde 2018 und 2019 finanziert. Im Folgenden wurde mit der Stadt Braunschweig u.a. der Fachtag „Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt an Schulen“ 2021 konzeptioniert.

Publikation des Lernspiels „Identitätenlotto. Ein Spiel quer durchs Leben“ (2019)

Das kommunikative Lernspiel „Identitätenlotto“ wurde nach zahlreichen, auch im Rahmen des BZG erfolgten Testrunden 2019 professionell im spielecht Spieleverlag publiziert.

Die Idee des Spiels entstand im BZG, ausgelöst durch die Ausschreibung des TU-Förderprogramms „in medias res: Mediengestützte Lehr-/Lernumgebung“. Durch die Anschubfinanzierung im Sommersemester 2015 konnten Veronika Mayer und Janina Becker gemeinsam mit Juliette Wedl intensiv an der ersten Testversion arbeiten. Juliette Wedl hat das Spiel danach nebenberuflich in engem Austausch mit dem Spieleverlag bis zur Produktion weiterentwickelt. Bei der Spielentwicklung haben noch viele Personen mehr oder weniger intensiv mitgewirkt – ideengebend, kommentierend, diskutierend und zuhörend.

Das Spiel findet regelmäßig Eingang in die Lehre, u.a. in das BZG-Ringseminar „Geschlechterwissen: Einführung in Grundbegriffe und Themenfelder“ jedes Wintersemester, aber auch an anderen Hochschulen (z.B. Düsseldorf), in der Lehrkräftefortbildung und in der Weiterbildung von Dozent*innen im Rahmen des KHN. Eine Release-Veranstaltung mit szenischer Darstellung und Spielgelegenheit fand am Jungen Staatstheater statt. Auch auf hochschulöffentlichen Veranstaltungen erfreut es sich einer großen Beliebtheit, zuletzt auf dem Tag der Vielfalt 2022 der TU Braunschweig.

E- & Blended-Learning Lehreinheiten aus den Gender Studies (2019)

Wie lassen sich Gender Studies in der Online-Lehre vermitteln? Seit 2013 entwickelt das BZG digitale Lehreinheiten im Bereich der Gender Studies. Die Blended-Learning-Materialien sind teils fachspezifisch, richten sich aber auch an verschiedene Studienfächer und sind somit für einen interdisziplinären Zugang zur Vermittlung und Reflexion von Geschlechterwissen geeignet. Ende 2019 wurde der zweite Band der Handreichung veröffentlicht. Während der Fokus von Band 1 (2016) auf den Tools und Erfahrungen in der Umsetzung interdisziplinärer E- bzw. Blended-Learning-Lehreinheiten liegt, legt Band 2 nun das Augenmerk auf die unterschiedlichen methodischen und didaktischen Formate der einzelnen Lehreinheiten.

In diesem zweiten Band sind auch eine Lehreinheit zum Identitätenlotto sowie ein Transferprojekt „Inteface. PersonalityXGenderXCulture veröffentlicht. Aufbauend auf den Erkenntnissen und Methoden des BZG E-Learning-Projekts und des Lernspiels Identitätenlotto wurde in dem über teach4TU finanzierten Transferprojekt in Kooperation mit Prof. Dr. Daniela Hosser (Institut für Psychologie, Abt. Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie) ein Konzept für die Lehre des Psychologiestudiums entwickelt. Ein darauf aufbauendes Transferprojekt entwickelte diese E-Learning- und Gaming-Elemente zum interdisziplinären Seminar „Wissenschaft, Technik und Geschlecht“ weiter.

Weiterführung und Abschluss der Ricarda Hoch Poetikdozentur (2019-2022)

Die Ricarda Huch Poetikdozentur für Gender in der literarischen Welt ist im Jahr 2015 im Namen der prominenten Braunschweiger Schriftstellerin zur Förderung der Auseinandersetzung mit Genderdimensionen in der Gegenwartsliteratur ins Leben gerufen worden. Die Auszeichnung erhielten 2019 Thomas Meinecke und 2020 Sasha M. Salzmann. Mit der online weiterhin verfügbaren Veranstaltung „Ozeanisch Schreiben – das halbe Dutzend ist voll“ wurde anlässlich der vom BZG mit finanzierten Publikation „Ozeanisch Schreiben“ im Dezember 2022 das Ende der Kooperation begangen. Das Buch und die Veranstaltung basieren auf drei Gesprächen, die Thomas Meinecke im Rahmen der Poetikdozentur mit Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig geführt hat; hier Carolin Bohn, Regina Toepfer und Bettina Wahrig.

Die Poetikdozentur wurde 2015 bis 2020 in Kooperation mit der Stadt Braunschweig/Fachbereich Kultur und Wissenschaft, der Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften sowie dem Institut für Germanistik der TU Braunschweig und dem Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte realisiert. Mit der Verleihung der Ricarda Huch Poetikdozentur zeichneten die Partner jährlich eine Person aus, die sich durch bedeutende Leistungen auf dem Gebiet der Gegenwartsliteratur oder der literarischen Kritik ausgewiesen hat und in deren Werk Geschlechterdimensionen von zentraler Bedeutung sind, u.a. indem hierarchische Geschlechterverhältnisse, Geschlechterstereotype oder Ein- und Ausgrenzungen durch Geschlechternormierungen überschritten und tradierte Geschlechterordnungen kritisch hinterfragt werden.

Gender-Zertifikat 1.0 (seit 2020)

In dem über Studienqualitätsmittel der TU finanzierten BZG-Projekt wurde das Gender-Zertifikat Bachelor entwickelt. In der Pilotphase können Studierende der TU Braunschweig seit dem Wintersemester 2022/23 für vier Semester (und hoffentlich darüber hinaus) mit dem Zertifikat ihre fachliche, methodische und soziale Genderkompetenz erweitern. Neben dem Besuch von drei Lehrveranstaltungen besuchen sie das zertifikatsbegleitende Kolloquium und stellen dort – als Abschluss des Zertifikatsmoduls „Gender Studies in der Praxis“ – ein Transferprojekt vor und werden bei der Reflexionsarbeit als Abschluss des Zertifikatsmoduls „Grundlagen der Gender Studies“ begleitet. Das Zertifikat umfasst insgesamt 12 CP und wird von Annette Bartsch koordiniert.

BMBF-Projekt „Geschlechterdimensionen in MINT-Disziplinen“ (2022)

In der ersten Förderphase der BMBF-Förderlinie „Geschlechteraspekte im Blick (GiB)“ wurde am BZG unter Leitung der Präsidentin Prof. Dr. Angela Ittel ein Konzept für ein fünfjähriges Strukturentwicklungsprojekt der TU Braunschweig entwickelt. Dabei sollen Wissenschaftler*innen der TU Braunschweig Unterstützung auf dem strategisch wichtigen und zukunftsweisenden Weg hin zur Berücksichtigung von Genderdimensionen in der MINT-Forschung erhalten. Damit verbunden ist der Ausbau des Gender Consulting; inwiefern dieses Thema für MINT-Disziplinen relevant ist, hat Juliette Wedl in einem Interview im TU-Magazin erläutert. Das Projekt wurde positiv begutachtet; die endgültige Rückmeldung zur Bewilligung sollte zum Jubiläum vorliegen. Erfolgt eine Förderung des GiB-Konzeptes, werden für fünfjährige Umsetzungsphase zwei neue Mitarbeitende das BZG-Team unterstützen.

Vernetzung: Schaffung einer verbindlichen Struktur und Entwicklung gemeinsamer Projekte

Gender-Netzwerk

Zentrale Aufgabe des BZG ist es, die Gender Studies in Lehre und Forschung zu stärken, hochschulspezifisch zu verankern sowie zur hochschulübergreifenden Zusammenarbeit der Wissenschaftler*innen der drei Hochschulen beizutragen. Eine wichtige Struktur ist hier das Gender-Netzwerk. Hier wurde inzwischen eine Mitgliedstruktur aufgebaut. Die jeweiligen Netzwerk-Aktivitäten und die Arbeitsschwerpunkte der einzelnen Mitglieder werden seit 2020 in eigenen Beiträgen vorgestellt, so u.a. von Prof. Dr.-Ing. Corinna Bath (TU/Ostfalia) zu Gender, Technik und Mobilität, auch gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrike Bergermann (HBK) zu Künstlicher Intelligenz aus postkolonialer und Gender-Perspektive, von Prof. Dr. Ariane Brenssell (Ostfalia) zur Istanbul-Konvention und Partizipativen Forschung oder von Prof. Gabriele G. Kiefer (TU) mit Genderperspektiven in der Lehre der Landschaftsarchitektur.

Als Beispiel einer erfolgreichen Zusammenarbeit des Netzwerks kann folgendes Promotionsprogramm genannt werden:

Abschluss des Promotionsprogramms „Konfiguration von Mensch, Maschine und Geschlecht (KoMMa.G)“ (2020)

Das von der MGM-Professorin Dr.-Ing. Corinna Bath gemeinsam mit Prof. Dr. Bettina Wahrig eingeworbene und 2017 gestartete Promotionsprogramm „Konfiguration von Mensch, Maschine und Geschlecht. Interdisziplinäre Analysen zur Technikentwicklung (KoMMa.G)“ untersuchte unter transdisziplinären Aspekten die Entstehung von Mensch-Maschine-Konfigurationen. Die Promovierenden und ihre Betreuenden arbeiteten über die Grenzen zwischen Geistes-, Sozial- und Medienwissenschaften und Natur-, Technik- und Ingenieur­wissenschaften hinweg. Daran beteiligt waren die Netzwerk-Professor*innen Rüdiger Heinze, Christian Kehrt und Eckart Voigts der TU Braunschweig, Sabine Brombach und Sandra Verena Müller der Ostfalia HaW sowie Ulrike Bergermann und Heike Klippel der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig eingebunden. Die internationale Abschlusskonferenz fand im Oktober 2019 statt. Welch innovatives Potenzial interdisziplinäre und fachkulturübergreifende Prozesse haben, zeigen die dort vorgestellten Abschlussarbeiten der Promovierenden und der aus der Tagung entstandene Band „Gendered Configurations of Humans and Machines“ (2021).

Ein Blick in die Zukunft

Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir folgende Visionen für das BZG:

  • Das Strukturentwicklungsprojekt „Geschlechterdimensionen im Blick der MINT-Forschung (GeDiMINT)“ geht unter Voraussetzung der letztendlichen Mittelbestätigung ab Februar 2024 vom BMBF gefördert in die fünfjährige Umsetzungsphase.
  • Daran anschließend werden Konzepte ausgearbeitet, die Lehrende der Ingenieur-, Technik- und Naturwissenschaften dabei unterstützen, Geschlechterdimensionen in die Lehrinhalte zu integrieren.
  • In Kooperation mit der GenderING-Professorin Henriette Bertram wird das Thema weiter gestärkt.
  • Die Materialsammlung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wird in Kooperation mit den Fachdidaktiken verstärkt in die Lehramtsausbildung integriert.
  • Das Gender-Zertifikat Bachelor wird weitergeführt, einem größeren Kreis an Studierenden zugänglich und möglichst verstetigt. Zudem wird die Entwicklung eines kleinen Programms (Micro-Degree) für Studierende aus den MINT-Disziplinen sowie für Lehramtstudierende im Master entwickelt.
  • Mit der Ostfalia und der HBK werden Lösungen gefunden, um das Zertifikat hochschulübergreifend auszubauen.
  • Das Lernspiel Identitätenlotto wird in Lehrveranstaltungen außerhalb des BZG sowie zur Sensibilisierung von Tutor*innen und Mentor*innen (z.B. für Erstsemester-Studierende) genutzt.
  • Das Gender-Netzwerk wird weiter ausgebaut und zu jedem Netzwerkmitglied gibt es einen Beitrag, aus dem aktuelle Aktivitäten und Arbeitsschwerpunkte hervorgehen.